Schon lange wollte ich einen Beitrag über das Thema Behinderung schreiben. Denn es ist ein leidiges Thema. So oft werde ich gefragt, wie man mit mir umgehen sollte? Wie verhalten? Wie reagieren? Das Spektrum an mir zugeworfenen Blicken, seit ich im Rollstuhl sitze und offensichtlich behindert bin - unbeschreiblich. Eine Mischung aus Schockiertheit, Hilflosigkeit, Mitleid, Neugier, Abfälligkeit und Angst. Falsches Mundwinkel nach oben ziehen. Bewusstes Wegschauen. Starrendes Hinschauen. Ein Katalog an unbeholfenen Fragen und Aussagen: "Geht es dir so halbwegs gut?", "Unglaublich, wie du dein Schicksal meisterst, ich könnte das nicht.", "Ich könnte das nicht, so würde ich nicht leben wollen.", "Und das trotz deiner Behinderung."... 

Und heute bin ich es endgültig leid. 

Denn heute Vormittag hat mir die österreichische Behindertensprecherin der ÖVP eine Whats App Nachricht geschrieben.

"Schau mal, vielleicht wäre das was für dich." Angehängt ein Link zu folgendem Artikel:

https://wien.orf.at/news/stories/2933769/

Hier meine Antwort an Kira Grünberg:

Liebe Kira. Danke auch für den Link. Dieser Fonds ist aber für Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen...

Grundsätzlich ist es natürlich großartig, dass es Fonds gibt, die Menschen mit Behinderung dabei unterstützen, ihr Talente ausleben zu können und zu fördern.
Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich gerade etwas schockiert und nachdenklich gestimmt bin, nachdem ich diesen Artikel gelesen habe. "Außenseiterkunst", "Kunst von Menschen, die außerhalb der Gesellschaft leben", "andersART". Diese Formulierungen klingen nicht nach Inklusion und Gemeinschaft. Es ist so wichtig, dass sich unsere Gesellschaft im Umgang mit Behinderung endlich in eine andere Richtung entwickelt. Offenheit, Toleranz, Akzeptanz, Verständnis. Das Gemeinsame im Vordergrund und nicht immer das Andersartige.

Ich persönlich bin es leid, so oft auf meine Behinderung reduziert zu werden. Nicht ernst genommen zu werden. Unterschätzt zu werden.
Da finde ich es irgendwie auch schade, dass du bei diesem Artikel an mich denkst. Wenn schon im ersten Absatz "Kunst von Menschen, die außerhalb der Gesellschaft stehen" geschrieben steht.
Ich habe eine Firma mit 2 Angestellten, zahle sehr viele Steuern und lebe ein ganz normales, glückliches Leben - mit Behinderung. Mitten in der Gesellschaft.

Deine Aufgabe als Behindertensprecherin ist bestimmt nicht einfach. Aber es liegt u.a. an dir, einen positiven Einfluss auf den Umgang mit Behinderung zu geben. Barrieren in den Köpfen abzubauen. Bedürfnisse aufzuzeigen. Für Inklusion zu stehen. Für das Gemeinsame. Für Fortschritt. Für Aufklärung.

Für mich klingt dieser Artikel nach Rückschritt und Ausgrenzung. Mit Betonung auf Andersartigkeit. Wäre es nicht besser, so einen Fonds und die Aufmerksamkeit zu nutzen, um aufzuklären. Das Können der Menschen in den Vordergrund zu stellen und nicht ihre "Andersartigkeit"?

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Ich bin es leid in einer Gesellschaft zu leben, in der plötzlich wieder getrennt und aufgeteilt, Andersartigkeit projiziert und gespalten wird. Ich bin für eine offene Gesellschaft, ein Miteinander, Toleranz, Akzeptanz und Mitgefühl.

Eigentlich ist es unglaublich schade, dass man im Jahr 2018 immer noch erklären muss, wie man mit Menschen mit Behinderung umgehen sollte. Behinderung gehört zu unserer Gesellschaft, darf nicht versteckt, weggesperrt, tabuisiert und ignoriert werden. Jeder Mensch ist ein Individuum, einzigartig und hat seine ganz speziellen Bedürfnisse. Ob nun mit oder ohne Behinderung.

Wie soll man nun mit Menschen mit Behinderung umgehen?
Ich wünsche mir einen normalen Umgang, ganz einfach ;-) Wertschätzend, offen, empathisch. Ehrliches Mitgefühl, statt geheucheltes Mitleid. Hast du Fragen, dann frag. Kein in Schubladen stecken, in einen Topf werfen und alle über einen Kamm scheren. Kein Vorurteilen, kein Verurteilen, kein Bevormunden, kein kollektives Unterschätzen.

Menschen mit Behinderung sind ein Teil unserer Gesellschaft, gehören in deren Mitte, so wie du und ich.

Tina Hötzendorfer
Getaggt: Gedanken

Kommentare

Und was hat Kira geantwortet?

— H. M. Aster